Jedenfalls dann, wenn sie bedroht werden oder mit obszönen Nachrichten beschickt werden. Es gibt keine rechtliche Handhabe gegen sexistische Beleidigungen. Es gibt jedoch sehr wohl rechtliche Mittel, um die Versender solcher Nachrichten vor Konsequenzen zu schützen.
Ein Versuch, die wogenden Emotionen angesichts dieses Urteils mit klaren aber bestimmt sehr subjektiven Gedanken zu unterfüttern.
Die Fakten:
Maurer geht an besagtem Lokal in der Strozzigasse vorbei, wurde – wie schön öfter – nach ihren Worten „blöd angeredet“ und bekam kurz darauf obszöne Nachrichten vom facebook-Account des Lokalinhabers.
Wir lernen:
- Das Verschicken solcher Nachrichten stellt in Österreich keinen Strafbestand dar.
Aufgrund der Erkenntnis, dass es keine Möglichkeit gibt, rechtlich gegen den Versender vorzugehen, ergreift Maurer die einzige Möglichkeit, die ihr bleibt, um sich zu wehren, und veröffentlicht die obszöne Nachricht unter Angabe des Absenders.
Wir lernen:
- Öffentlich bekannt zu machen, wer eine solche Nachricht geschickt hat, stellt – obgleich die Nachricht selbst vor dem Recht nichts anstössiges hat – sehr wohl einen Strafbestand dar.
Viel Fragen bleiben offen:
Wie kann das Bekanntgeben des Absenders strafbar sein, wenn es der Inhalt dieser Nachricht nicht ist?
Müsste nicht die Anstössigkeit des Inhalts eine Vorbedingung sein, um das Bekanntmachen des Absenders zu üblen Nachrede zu machen?
Kann es strafbar sein, den Absender zu nennen, wenn doch die Nachricht, um die es geht, rechtlich keine Relevanz hat?
Maurer ist zu 100% verantwortlich für den Inhalt ihres Social Media Accounts. Der Versender der Nachrichten ist zu 0% verantwortlich für den Inhalt seiner Social Media Profile.
Soweit der gefühlte Hintergrund. Welche strafbaren Handlungen hat sich Maurer nun schuldig gemacht? – Und welche Schlüsse für die Gesetzgeber wären daher angebracht?
§ 111. (1) Wer einen anderen in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
(2) Wer die Tat in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise begeht, wodurch die üble Nachrede einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.
(3) Der Täter ist nicht zu bestrafen, wenn die Behauptung als wahr erwiesen wird. Im Fall des Abs. 1 ist der Täter auch dann nicht zu bestrafen, wenn Umstände erwiesen werden, aus denen sich für den Täter hinreichende Gründe ergeben haben, die Behauptung für wahr zu halten.
Wir sehen, dass in diesem Prozess die Privatsphäre des Versenders der Nachrichten keine Rolle gespielt hat. Die Verurteilung erfolgte ausschließlich auf Basis des oben zitierten § 111 StGB.
(3) Wäre eigentlich dazu geeignet, Maurer zu entlasten. Ihr Problem ist, dass sie mit ihrem Twitter-Account unter (2) fällt und damit, aufgrund der breiteren Öffentlichkeit, einen klaren Beweis für die Urheberschaft der sexistischen Nachrichten benötigt.
Die einzige Frage um die es also geht ist: Wer ist für die Inhalte verantwortlich, die von einem persönlichen, passwortgeschützten facebook-Account verschickt werden? Während Maurer für die von ihr öffentlich geposteten Nachrichten anscheinend zu 100% haftbar ist, gilt dies offensichtlich nicht für den Bierverkäufer und seine privat versendeten Nachrichten.
Es entzieht sich meiner Kenntnis, wo und wie der PC des Inhabers im Geschäft aufgestellt ist. Es sind dazu im Netz keine Bilder zu finden. Ob das Gericht einen Lokalaugenschein vorgenommen hat ist mir nicht bekannt. Auf unzensuriert wird behauptet, dass der Wirt seinen Gästen regelmässig Zugang zu seinem Laptop angeboten hätte.
Tatsache ist, dass die Nachricht vom Rechner und vom facebook-Account des Bierverkäufers abgeschickt wurde.
Wenn ich mit einem geborgten Auto zu schnell fahre, dann wird so lange der Zulassungsinhaber als Schuldiger geführt, bis dieser nachweisen kann, dass nicht er, sondern jemand anderer mit seinem Auto unterwegs war. Das selbe sollte für die Nutzung eines persönlichen Social Media Accounts gelten. Immerhin sind diese Accounts genauso Passwortgeschützt, wie das Auto über einen Schlüssel verfügt.
Alleine die Behauptung, es könnte jemand anderer gefahren sein, wäre im Falle einer Geschwindigkeitsübertretung nicht ausreichend, um den Zulassungsinhaber schuldfrei zu stellen.
Nun ist es zwar verboten, zu schnell zu fahren, aber nicht, unbekannte Frauen mit privaten Nachrichten sexuell zu belästigen. Gäbe es dagegen eine rechtliche Handhabe hätte Frau Maurer ja keinen Anlass gehabt, diese Nachrichten zu veröffentlichen.
Die Frage, warum sie sie nicht anonymisiert veröffentlicht hat, beantwortet sich von selbst. Durch ein Publik machen anonymisierter Nachrichten – wie aktuell der Drohungen die sie seit der Urteilsveröffentlichung bekam – wird alleine die eigene Opferrolle unterstrichen, ohne irgendeinen negativen Aspekt für den Versender solcher Nachrichten. Warum also sollte irgendjemand dadurch davon abgehalten werden, weiter solche Nachrichten zu schicken? Es kann vermutlich sogar eher als Ansporn dienen, gerade jetzt, in der Gewissheit, dass man nicht zur Verantwortung gezogen werden kann für das Versenden öbszöner Nachrichten an Unbekannte.
Jetzt gehen wir einmal davon aus, der Bierverkäufer hätte diese Nachrichten tatsächlich nicht selbst geschrieben. Ist er dann nicht verpflichtet, bekanntzugeben, wer diese Nachrichten verschickt hat? Ist der Rufschädigende in diesem Fall nicht derjenige, der die Nachrichten unter falschem Namen geschickt hat?
Wie weit ist jemand für den Inhalt seiner Social Media Accounts verantwortlich? Gelten nur noch Nachrichten als persönlich geschickt, von deren Verfassen es eine Fotodokumentation gibt? Oder kann man davon ausgehen, dass das Benutzen eines passwortgeschützten Kontos ausschließlich durch dessen Inhaber geschieht?
Welche rechtliche Handhabe kann man schaffen, um solche Nachrichten insgesamt zu bekämpfen?
Ist es Anlassgesetzgebung, wenn das Erkennen einer Lücke im Gesetz der Anlass ist? Abgesehen davon, dass Anlassgesetzgebung als juristischer Begriff nicht existiert, ist letztendlich das Gesetz zu beurteilen und nicht der Anlass, der dazu geführt hat.
Auch ich bin für wohldurchdachte Gesetze. Aber das dürfte in diesem Fall nicht allzu schwierig sein, es bedürfte nur einer digitalen Kompetenz, die vorhandene Gesetze ergänzt um aktuelle Kommunikationsmittel.